Montag, 27. September 2010

Henri 4

Auf diesen Film war ich richtiggehend neugierig. Ich mag den zu unrecht unterschätzten Heinrich Mann sehr und dies hier ist die Verfilmung seines opus magnum "Henri Quatre". Ich bin ja sonst betreffs Literaturverfilmungen gespaltener Meinung. In diesem Fall gibt es ein veritables Wunder zu bestaunen. Nicht nur, daß es ein deutscher Film mit historischem Sujet ist, sondern es ist außerdem noch ein guter Film. Wer es nicht wissen sollte: es geht in Buch und Film um die Lebensgeschichte Heinrich IV. von Navarra und später Frankreich. Außerdem um die Frage der gerechten Regierung und, bedingt durch die Entstehungszeit, auch um Fragen des Widerstands und des gerechten Krieges. Die damals (1935/38) virulenten Probleme sind obsolet und kommen auch im Buch nur unterschwellig vor. Man kann sie getrost vernachlässigen. Die oft angeführten angeblichen Stalin-Bezüge sind einfach Quatsch. Genausogut könnte man Bezüge zu Cagliostro oder dem Dalai Lama im Buch finden. Es werden allgemeinmenschliche Fragen behandelt, die immer Gegenwartsbezüge erlauben. Die beiden Bücher sind übrigens sehr lesenswert und werden von mir ausdrücklich empfohlen. Sie gehören zum besten was an historischen Romanen überhaupt verfaßt wurde und lassen sich mühelos mit Thomas Manns "Joseph und seine Brüder" messen. Der Stil ist natürlich anders, rationaler, "französischer". Heinrich Mann eben. Zum Film: Es ist ein wenig vermessen, einen Roman von rund 1600 Seiten auf einen zweieinhalbstündigen Film einzudampfen. Natürlich muß massiv gekürzt werden, natürlich hat so eine Biographie im Kurzdurchlauf etwas von einer Nummernrevue. Aber trotzdem gelingt es dem Regisseur Jo Baier die disparaten Teile zusammenzuhalten. Ich weiß natürlich nicht, wie es jemandem geht, der von jener Epoche der französischen Geschichte zwischen 1563 und 1610 nur Schulkenntnisse hat. Vermutlich fällt die Orientierung schwer. Da ich (zu meinem großen Vergnügen übrigens) auch Robert Merles "Fortune de France" gelesen habe, kenne ich die Protagonisten fast wie Familienangehörige und die Zusammenhänge erschließen sich leicht. Ja, mehr noch. Es hat mich unglaublich verblüfft, daß Jo Baier und Gernot Roll immer wieder an Schlüsselszenen genau die optischen Lösungen wählten, die ich beim Lesen vor Augen hatte. Das heimatliche Bearn, der Louvre in seinem damaligen Zustand, die Ermordung Colignys, die Begegnung mit Gabrielle d'Estrees undsoweiter undsofort. Es war richtig gespenstisch. Und faszinierend zugleich. Herausragend auch die schauspielerischen Leistungen: Ulrich Noethen als Charles IX. spielte oscarreif. Auch Hannelore Hoger als Katharina von Medici war von einer beeindruckend kalten Bösartigkeit. Julien Boisselier macht seine Sache als Henri auch ganz großartig. Ich bin ausnahmsweise mal rundum zufrieden. Mehr davon, s'il vous plait.

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